Unser Haus veranstaltete am vergangenen Samstag zum sechsten Mal einen Fachtag für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderungen, deren Angehörige und Fachkräfte. Rund 150 Gäste nahmen an der Podiumsdiskussion, den Vorträgen sowie den anschließenden Workshops teil. Unser Kompetenzzentrum hatte hochkarätige Fachleute aus regionalen und überregionalen Einrichtungen eingeladen, die die Veranstaltung auch als Netzwerk-Plattform nutzten. Vertreten waren unter anderem das Medizinische Versorgungszentrum für Erwachsene mit Behinderung in Burgau, das Brückenteam des Bunten Kreises, das Josefinum in Augsburg sowie das LMU Klinikum in München. FFH-Vorstand Gregor Beck begrüßte zudem einige Vertreter aus der Politik, u.A. Holger Kiesel, Schirmherr des Fachtags und Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, sowie MdL Simone Strohmayr und den Königsbrunner Bürgermeister Franz Feigl.
Gesundheit hat viele Facetten
Nach wie vor stoßen Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung auf zahlreiche Barrieren in der Gesundheitsversorgung. Die Weltgesundheitsorgansiation (WHO) definiert Gesundheit als einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen, und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Fehlen von Krankheit oder Behinderung. Holger Kiesel machte deutlich, mit welchen Herausforderungen die Klientel im Alltag konfrontiert ist: Dazu gehört die mangelnde Barrierefreiheit in vielen Arztpraxen und Therapieeinrichtungen sowie ein Mangel an medizinischem Personal, das über ausreichendes Wissen im Umgang mit Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung verfügt. Die fehlende Sensibilisierung und Schulung in Bezug auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Patientengruppe wirkt sich negativ auf die Qualität der Gesundheitsversorgung aus. In der Folge lassen Patienten wichtige Untersuchungen aus, manche haben deshalb keinen Hausarzt oder der Weg ins Krankenhaus scheitert an fehlenden Transportmöglichkeiten. „Dabei wäre Vorsorge wesentlich besser – sowohl für die Gesundheit der Patienten als auch für die finanzielle Situation der Krankenkassen“, so Holger Kiesel.
Forderung nach inklusiven Gesundheitsangeboten
Weitere Defitzite sind die unterfinanzierten Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) sowie die besorgniserregende Situation bei der Versorgung mit psychologischen und psychotherapeutischen Angeboten. Auch wurde ein besserer Übergang von der Jugend- zur Erwachsenenmedizin angemahnt. „Jugendliche mit Einschränkungen passen nicht von heute auf morgen in das medizinische Versorgungsraster von Erwachsenen, nur weil sie 18 werden“, erklärt Dagmar Simnacher, unsere Bereichsleiterin für den Kinder- und Jugendbereich im FFH. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Robert Sanktjohanser hatte sie den Fachtag federführend konzipiert.
Zum Thema inklusive Gesundheitsangebote gibt es noch viel zu tun, so die einhellige Meinung der Referenten und Besucher. Marion Schwärzer, Elternvertreterin und Mutter eines 13-jährigen, beeinträchtgten Sohnes mahnte die Politik an, mehr für die pflegenden Berufe zu tun und sich deutlicher an die Seite pflegender Eltern zu stellen. Insgesamt bot die Veranstaltung Menschen mit Einschränkungen und deren Angehörigen wichtige Praxisorientierung auf dem Weg zu einer besseren Gesundheitsversorgung. Gleichermaßen nutzten Experten und Vertreter der verschiedenen Organisationen den Fachtag für den intensiven, professionellen Austausch.